Die AAD ist die jährliche Fortbildungsveranstaltung von DOG und BVA. Sie bietet Augenärztinnen und Augenärzten sowie auch dem augenärztlichen Fachpersonal die Gelegenheit zum kollegialen Austausch und zur Fortbildung auf höchstem Niveau.
Berufsverband der Augenärzte Deutschlands
als Geschäftsbesorger der AAD GbR
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AAD 2024 – Pressekonferenz
6. März 2024, 12:00 – 14:00 Uhr, CCD, Raum 12
Pressemappe:
Entbudgetierung
Gleiche Bezahlung für alle?
Ein Großteil der ärztlichen Leistungen bleibt unbezahlt. Starre Gesetze und Vorgaben aus dem vergangenen Jahrhundert führen zu einem Ungleichgewicht in der Praxis. Ursachen dafür liegen in der Vergangenheit.
Der Katalog der ärztlichen abrechenbaren Leistungen ist im EBM, im einheitlichen Bewertungsmaßstab hinterlegt. Dieser gilt für die Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen. Die Bezahlung der Ärzteschaft verläuft also nicht in festen Beträgen, sondern in zuvor festgesetzten Punkten. Der Preis pro Punkt (der s.g. Orientierungspunktwert OPW) wird jährlich vom Bund der gesetzlichen Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KVB) verhandelt. Aktuell entspricht ein Punkt etwa 11,93 Cent.
Bezüglich der Abrechnung gibt es zudem weitere Vorschriften zu Abrechnungsbegrenzungen, wie beispielsweise die Grundpauschale, die einmal im Quartal abgerechnet werden kann, unabhängig davon, wie oft die Patientin oder der Patient die Praxis im Quartal aufsucht. Zudem ist die Obergrenze dessen, was aus Leistungen honoriert wird, gedeckelt. Das bedeutet: Nicht alle Leistungen im EBM werden zum OPW vergütet.
Leistung wird in Punkten bemessen
Das Punktzahlvolumen (PZV), mit anderen Worten das „Budget“, wird den Ärztinnen und Ärzten im Vorfeld zugewiesen und bestimmt, welche Summe an Punktwerten zum OPW vollständig abgerechnet werden dürfen. Ist das Volumen im Quartal erreicht, erfolgt die Vergütung zu abgestaffelten Beträgen (sog. Restpunktewerten.) In Schleswig-Holstein liegt dieser bei 0,25 Eurocent. Ein sehr geringer Betrag, was zu Folge hat, dass etwaige Mehrleistungen für Praxen wirtschaftlich untragbar werden. Denn die Kosten der Praxis laufen im Betreib weiter, bei steigenden Ausgaben und verminderter Vergütung.
In der Folge bleibt so ein erheblicher Anteil der ärztlichen Leistung unbezahlt. Besonders unverständlich: Die Budgetierung der ärztlichen Leistungen ist über 30 Jahre alt – sie stammen also aus gänzlich anderen Zeiten. Statt der damals befürchteten Ärzteschwämme sehen wir uns nun einem wachsenden Fachkräftemangel ausgesetzt. Der demographische Wandel hin zu einer alternden Gesellschaft und dem Rentenantritt zahlreicher Ärztinnen und Ärzte führen zu einer Lücke zwischen Angebot und Nachfrage. Den verbleibenden Ärztinnen und Ärzten wird durch eine Überlast an bürokratischen Vorgängen der Arbeitsalltag massiv erschwert.
Wachsende Unzufriedenheit der Ärzteschaft
Einer Studie des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland zur Befragung der Lage in Praxen zeigt die zunehmende Unzufriedenheit der Ärzteschaft. Obwohl ihre Arbeit von 84 % der Befragten als vollständig nützlich und sinnvoll angesehen wird, fühlen sich nur 8,5 % der Fachärzte und 9,7 % der Hausärztinnen und Ärzte bezüglich Ihrer Leistungen angemessen honoriert.
Den gesellschaftlichen Beitrag honorieren – Vergütung aus diesem Jahrhundert nötig
Wie kann diese scheinbar festgefahrene Situation gelöst werden? Eine pauschale Lösung für alle vielschichtigen Probleme in dieser differenzierten Ausgangslage ist kaum möglich. Doch festzuhalten ist: Haus- und Fachärztinnen und -Ärzte leisten zusammen mit ihren Teams einen grundlegenden, wertvollen Beitrag zu unserer Gesellschaft. Um dem bereits jetzt spürbaren Ärztemangel noch abzuwenden und dazu beizutragen, weiterhin die Kolleginnen und Kollegen in Praxen und Kliniken zu halten, braucht es Anreize für mehr Behandlungszeit. Die Budgetierung ist es jedenfalls nicht. Es wäre das richtige politische Signal, nicht nur die Kinder- und Hausärzte, sondern die Leistungen für alle Fachgebiete zu entbudgetieren.
Daniel Pleger
1. Vorsitzender Berufsverband der Augenärzte Deutschlands e.V.
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www.augeninfo.de
Quellen:
https://www.kbv.de/media/sp/2023-12-08_Zi-Praesentation_Befragungsergebnisse_Lage-in-Praxen.pdf
https://www.kbv.de/html/1150_65357.php, abgerufen am 20.02 2024
Das Glaukom
Volkskrankheit mit Früherkennung entgegentreten
Das Glaukom, gemeinhin als grüner Star bekannt, gehört zu den Volkskrankheiten. Bei den 40-80-Jährigen erkranken weltweit ca. 2,5-3,5% an Glaukom. 6,6% aller Erblindungen sind Glaukom bedingt. In Deutschland leben geschätzt knapp 1.00.000 Menschen mit einem diagnostizierten Glaukom. Hochrechnungen gehen davon aus, dass bis zum Jahre 2060 die Häufigkeit von Blindheit und Sehbehinderung durch ein Glaukom deutlich ansteigen wird: Ein derartiger Verlauf muss jedoch nicht sein. Je früher man ein Glaukom erkennt, desto früher kann man mit einer Therapie beginnen und damit den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen. Auf diese Weise wird der Krankheitsverlauf verlangsamt und eine Sehbehinderung bzw. Blindheit durch Glaukom vermieden.
Eine Glaukomerkrankung zeichnet sich durch eine zunehmende Verschlechterung des Gesichtsfelds (das ist der sehende Raum, den wir überblicken) aus. Diese verläuft meist schmerzlos, vom seitlichen Gesichtsfeld aus. Ursächlich dafür ist ein fortschreitender Nervenzellverlust, in dessen Folge sich in späten Stadien der Erkrankung das Gesichtsfeld und in Spätstadien auch die zentrale Sehstärke zunehmend verschlechtert. Der Augeninnendruck, der Hauptrisikofaktor für die Erkrankung, kann, muss jedoch nicht erhöht sein.
„Was weg ist, bleibt weg“ – Sehzellenverlust ist irreparabel
In der Praxis erleben Augenärztinnen und Augenärzte oft, dass die Gesichtsfeldeinschränkungen von Betroffenen lange unbemerkt bleiben. Gründe dafür sind, dass diese Ausfälle im Sehen zu Beginn sehr filigran sind. Über das andere Auge und das Gehirn können diese Gesichtsfeldausfälle zu Beginn oft noch gut kompensiert werden, sodass die Schäden in frühen Stadien von den Patienten und Patientinnen mit Glaukom oft unbemerkt bleiben. Machen sich die ersten Beschwerden bemerkbar, ist der Glaukomschaden aber meist schon weiter fortgeschritten. Eine Wiederherstellung der verlorenen Sehnerven und den damit verbundenen Einschränkungen im Gesichtsfeld ist leider aktuell nicht mehr möglich.
Untersuchungen zur Früherkennung wahrnehmen
Die Dunkelziffer der Glaukomfälle ist sehr hoch. Man schätzt, dass mindestens die Hälfte der Betroffenen nichts von ihrer Erkrankung wissen. Da die verlorenen Sehausfälle irreparabel sind, sind eine frühe Diagnose und Therapie so wichtig. Denn rechtzeitig festgestellt, kann der Krankheitsverlauf deutlich verlangsamt werden. Frühzeitig kann ein Glaukom nur durch gezielte Untersuchungen beim Augenarzt bzw. der Augenärztin festgestellt werden.
Bei einem diagnostizierten Glaukom erarbeitet der behandelnde Augenarzt oder Augenärztin ein individuelles Therapiekonzept, das auf das persönliche Krankheitsbild und den jeweiligen Alltag zugeschnitten ist. Mögliche Optionen sind dabei verschiedene Augentropfen, spezielle Laser- oder chirurgische Verfahren.
Welt-Glaukom-Woche – Aufmerksamkeit schaffen
Die Welt-Glaukom-Woche (World Glaucoma Week) macht jährlich im März auf die Volkskrankheit Glaukom aufmerksam. Wie wichtig sind hierbei regelmäßige augenärztliche Untersuchungen, vor allem bei bestimmten Risikogruppen (z.B. ältere Personen, Personen mit Glaukom in der Familie) – auch wenn einige der Untersuchungen noch nicht als Kassenleistung anerkannt sind, ist diese Investition in das eigene Augenlicht gut angelegt.
Auch die nationale und internationale Studienlage verdeutlicht, dass eine frühzeitige Diagnose grundlegend für einen positiven Krankheitsverlauf ist. Als Augenärzte sollten wir unsere Patientinnen und Patienten dafür sensibilisieren, auf ihr Augenlicht zu achten und sich auch gezielt dafür einzusetzen.
PD Dr. Dr. Bettina Hohberger
Sprecherin der Sektion DOG-Glaukom
Augenklinik, Universitätsklinikum Erlangen
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Schwabachanlage 6
91054 Erlangen
Bettina.Hohberger@uk-erlangen.de
Quellen:
https://www.worldglaucomaweek.org/this-is-world-glaucoma-week/, abgerufen am 26.2.2024
Stellungnahme der DOG zur Glaukomfrüherkrankung: https://www.dog.org/wp-content/uploads/2015/11/SN-Glaukom-August-2015.pdf
Bourne RR, Taylor HR, Flaxman SR et al. Number of People Blind or Visu ally Impaired by Glaucoma WorldwideandinWorld Regions 1990–2010: A Meta-Analysis. PLoS One 2016; 11: e0162229
Dielemans I, Vingerling JR, Wolfs RC et al. The prevalence of primary open-angle glaucoma in a population-based study in The Netherlands. The Rotterdam Study. Ophthalmology 1994; 101: 1851–1855
Hennis A, Wu SY, Nemesure B et al. Awareness of incident open-angle glaucoma in a population study: the Barbados Eye Studies. Ophthalmol ogy 2007; 114: 1816–1821
Shen SY, WongTY,Foster PJet al. The prevalence and types ofglaucoma in Malay people: the Singapore Malay eye study. Invest Ophthalmol Vis Sci 2008; 49: 3846–3851
ThamYC,LiX, WongTYetal.Globalprevalence ofglaucoma and projec tions of glaucoma burden through 2040: a systematic review and meta analysis. Ophthalmology 2014; 121: 2081–2090
Topouzis F, Coleman AL, Harris A et al. Factors associated with undiag nosed open-angle glaucoma: the Thessaloniki Eye Study. Am J Ophthalmol 2008; 145: 327–335
Wolfram C. The Epidemiology of Glaucoma – an Age-Related Disease. Klin Monbl Augenheilkd. 2024 Feb;241(2):154-161. English, German. doi: 10.1055/a-2257-6940. Epub 2024 Feb 27. PMID: 38412979.
Zhang N, Wang J, Li Yet al. Prevalence of primary open angle glaucoma in the last 20 years: a meta-analysis and systematic review. Sci Rep 2021; 11: 13762
Geographische Atrophie
Aktuelle Studien- und Versorgungslage
Die so genannte „geographische Atrophie“ stellt das atrophische Spätstadium der altersabhängigen Makuladegeneration (AMD) dar. Dabei kommt es zum Untergang der äußeren Netzhautschichten einschließlich der Photorezeptoren, des retinalen Pigmentepithels und der Choriokapillarisschicht der Aderhaut. Korrespondierend zu den betroffenen Netzhautarealen besteht ein vollständiger Funktionsverlust. Typischerweise treten diese Areale zunächst perifoveal auf, um dann mit der Zeit auch die Fovea mit erheblichem Sehverlust zu involvieren.
Der Krankheitsprozess ist im natürlichen Verlauf immer progredient: Ähnlich dem Dominoeffekt vergrößern sich die betroffenen Netzhautareale nach und nach. Die Konsequenzen für die Betroffenen sind weitreichend: Die Fähigkeit zur Gesichtserkennung geht verloren, ebenso die Lesefähigkeit. Gleichzeitig ist das Sturzrisiko und das Risiko für Depressionen erhöht. Auch wird das Führen eines PKWs unmöglich. Insgesamt ist eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität mit der Erkrankung verbunden.
Die Anzahl der Betroffenen mit geographischer Atrophie wird parallel zu den demographischen Entwicklungen in Deutschland in den nächsten Jahren weiter erheblich zunehmen.
Therapieoption: Verlangsamung des Fortschreitens der Krankheit
Während die neovaskuläre („feuchte“) Manifestationsform der AMD seit über 15 Jahren erfolgreich mit repetitiv intravitreal applizierten VEGF-Inhibitoren behandelt werden kann, gab es bis vor kurzem keinerlei Therapiemöglichkeiten für die geographische Atrophie. Zahlreiche Therapieansätze und Studien sind bisher gescheitert.
Basierend auf positiven Phase III-Ergebnissen aus randomisierten placebokontrollierten Studien wurden zwischenzeitlich die beiden Komplementinhibitoren Pegcetacoplan und Avacincaptad Pegol in den USA von der Food and Drug Administration (FDA) zugelassen. Die Ergebnisse wurden kürzlich in Lancet publiziert.
Der primäre Endpunkt bei den Zulassungsstudien war die Verlangsamung der Wachstumsgeschwindigkeit der geographischen Atrophie mit der Zeit. Hier wurden signifikante Therapieeffekte nachgewiesen.
Bezüglich der sekundären, funktionellen Punkte wurde keine Überlegenheit der Behandlung gegenüber der Kontrollgruppe mit der Komplementinhibitionstherapie gefunden. Allerdings erscheint der Endpunkt der bestkorrigierten zentralen Sehschärfe bei dieser Manifestationsform der AMD eher ungeeignet im Gegensatz zu den Anti-VEGF-Studien bei neovaskulärer AMD. In posthoc-Analysen wurden Therapieeffekte für Pegcetacoplan auch bezüglich der Netzhautfunktion gezeigt, so beispielsweise durch Mikroperimetrie Untersuchungen im Randbereich der geographischen Atrophie, also in den Netzhautarealen, die bei Progression der Erkrankung als nächstes betroffen werden.
Zum Zeitpunkt der Konzipierung der Phase III-Studie standen noch keine adäquaten funktionellen Messverfahren zur Verfügung. Zwar wurden Untersuchungen mit der funduskontrollierten Perimetrie (Mikroperimetrie) durchgeführt, doch erst mit weiteren Entwicklungen konnte durch Initiierung der Studien Messverfahren entwickelt werden, die eine deutlich höhere Aussicht besitzen, auch Funktionsvorteile der Therapie zu erfassen
Hoffnung für Betroffene: Neu-Evaluierung der EMA
In der Zwischenzeit hat sich die europäische Arzneimittelagentur (EMA) zunächst gegen eine Zulassung von Pegcetacoplan ausgesprochen. Aktuell soll nochmals eine Neubewertung stattfinden.
Eine Nichtzulassung würde bedeuten, dass Patienten mit geographischer Atrophie im Rahmen der AMD – im Gegensatz zu Patienten in den USA – keinen Zugang zu einer Therapie hätten. Alternativen stehen nicht zur Verfügung und werden auch bis auf Weiteres nicht verfügbar sein. Dabei könnten vor allen Dingen Patienten profitieren, bei denen die foveale Sehschärfe noch nicht betroffen ist.
Insofern ist eine Re-Evaluation seitens der EMA zu begrüßen in der Hoffnung einer positiven Bewertung. Hierbei käme auch eine konditionale Zulassung in Frage mit der Einforderung weiterer prospektiver Studien bezüglich der funktionellen Parameter.
Die aktuelle Versorgungslage für Patienten mit geographischer Atrophie beinhaltet lediglich rehabilitative Maßnahmen mit vergrößernden Sehhilfen. Diese sollten immer optimal angepasst und verordnet werden, auch da hierdurch häufig u.a. die Lesefähigkeit verbessert werden kann.
Prof. Dr. med. Frank G. Holz
Direktor der Universitäts-Augenklinik Bonn
DOG-Präsidiumsmitglied
Makulakommissionsmitglied BVA und DOG
Venusberg Campus 1
52127 Bonn
frank.holz@ukbonn.de
Quellen:
Heier JS, Lad EM, Holz FG, Rosenfeld PJ, Guymer RH, Boyer D, Grossi F, Baumal CR, Korobelnik JF, Slakter JS, Waheed NK, Metlapally R, Pearce I, Steinle N, Francone AA, Hu A, Lally DR, Deschatelets P, Francois C, Bliss C, Staurenghi G, Monés J, Singh RP, Ribeiro R, Wykoff CC; OAKS and DERBY study investigators. Lancet. 2023 Oct 21;402(10411):1434-1448. doi: 10.1016/S0140-6736(23)01520-9.PMID: 37865470
Khanani AM, Patel SS, Staurenghi G, Tadayoni R, Danzig CJ, Eichenbaum DA, Hsu J, Wykoff CC, Heier JS, Lally DR, Monés J, Nielsen JS, Sheth VS, Kaiser PK, Clark J, Zhu L, Patel H, Tang J, Desai D, Jaffe GJ; GATHER2 trial investigators. Lancet. 2023 Oct 21;402(10411):1449-1458. doi: 10.1016/S0140-6736(23)01583-0. Epub 2023 Sep 8.PMID: 37696275
Was die augenärztliche Versorgungslage in Deutschland gefährdet
Kinderophthalmologie ist ein wichtiger Baustein in den kindlichen Frühuntersuchungen. Eine rechtzeitige Feststellung möglicher Entwicklungsstörungen des Sehens ist bedeutsam, denn diese können nur in den ersten Lebensjahren effektiv therapiert werden. Doch Termine für kinderaugenärztliche Untersuchungen scheinen immer knapper zu werden.
Schielerkrankungen und Brechungsfehler sind nicht nur ein kosmetisches Problem. Unbehandelt führen diese Störungen des Sehens in der Regel zu einer lebenslangen Schwachsichtigkeit (Amblyopie) bis hin zur bleibenden Sehbehinderung, von der diese Patienten im Laufe des Lebens deutlich häufiger betroffen sind als Menschen mit beidseitig guter Sehschärfe. Eine frühzeitige Diagnose ist für den Therapieerfolg grundlegend.
Im Rahmen der kindlichen Früherkennungsuntersuchungen (so genannte U-Untersuchungen) für Kinder und Jugendliche sollen etwaige Auffälligkeiten festgestellt werden. Entsprechend des Alters der Kinder werden verschiedene Untersuchungen durchgeführt. Kinderärztinnen und Kinderärzte untersuchen dabei auch die Augen. Bei Auffälligkeiten sollte dann die Überweisung an die augenheilkundlichen Kolleginnen und Kollegen erfolgen.
Deutschland zeichnet sich leider durch eine hohe Amblyopieprävalenz von 5,6% aus. Damit schneiden wir deutlich schlechter ab als z.B. die skandinavischen Länder.
Termine verzweifelt gesucht – Gründe für Terminmangel
Eltern, die dann versuchen, einen Termin bei einem Augenarzt zu erhalten, verzweifeln in den letzten Jahren zunehmend. Das Angebot an kinderaugenärztlichen Untersuchungen scheint sich zunehmend zu verringern. Die Ursachen dafür sind vielfältig: Zum einen sind Untersuchung von Kleinkindern aufwändiger und Kinder als Patienten grundsätzlich betreuungsintensiver als Erwachsene. Die durch den demografischen Wandel erforderliche Spezialisierung zahlreicher Kolleginnen und Kollegen auf die altersbedingten Augenerkrankungen verknappt die Ressourcen zusätzlich, denn angesichts einer alternden Gesellschaft (das Durchschnittsalter in der Bundesrepublik lag 2022 bei 44,6 Jahren, das entspricht einem Anstieg von 1,5 Prozent in elf Jahren) erhöht sich logischerweise auch der Anteil an altersbedingten Augenerkrankungen wie AMD oder Katarakt.
Generationengerechtigkeit bewahren
Im Rahmen der Generationengerechtigkeit dürfen wir die Kinder nicht vergessen, ohne dabei die Versorgung altersbedingter Erkrankungen zu vernachlässigen.
Damit weiterhin die Versorgung gewährleistet werden kann, sollte eine flächendeckende Entbudgetierung der kinderaugenärztlichen Leistungen eingeführt werden. Analog zu den Leistungen aus der Pädiatrie sollte dies auch auf die ophthalmologischen Leistungen angewendet werden – einschließlich extrabudgetäre Zuschläge für Kinderuntersuchungen unter fünf Jahren.
Bei Auffälligkeiten in den ersten Lebensmonaten und -jahren, die mit dem bloßen Auge festgestellt werden können, sollte ein Augenarzt bzw. eine Augenärztin aufgesucht werden – bei Frühgeborenen oder familiären Augenerkrankungen wie der angeborenen Katarakt gilt das auch unabhängig von augenscheinlichen Abweichungen. Sollte es Vorerkrankungen in der Familie geben (Amblyopie, sehr starke Kurz- oder Weisichtigkeit) sollten Kinder vom sechsten bis zum zwölften Monat untersucht werden. Unabhängig von Auffälligkeiten sollten Kinder dann zwischen dem dritten und dem vierten Lebensjahr ophthalmologisch untersucht werden
Dr. Viktoria Bau
Augenarztpraxis am Diako
Bautzner Str. 66
01099 Dresden
praxis@viktoria-bau.de
www.viktoria-bau.de
Quellen:
Elflein, Heike M. et al: Amblyopieprävalenz in Deutschland. Daten aus der prospektiven, populationsbasierten Gutenberg-Gesundheitsstudie. Dtsch Arztebl Int 2015; 112: 338-44
Elflein HM, Pokora R, Müller D et al. Wie gut sehen unsere ABC-Schützen? Ophthalmologe 2021 118:470-475
Elflein HM, Pokora R, Müller D et al. No Benefit of a Pediatric Screening in Discovering Reduced Visual Acuity in Children:
Experiences from a Cross-Sectional Study in Germany Int. J. Environ. Res. Public Health 2020, 17, 3419
Rahi J et al: Risk, causes, and outcomes of visual impairment after loss of vision in the non-amblyopic eye: a population-based study.Lancet. 2002 Aug 24;360(9333):597-602
Tommila V et al: Incidence of loss of vision in the healthy eye in amblyopia. Br J Ophthalmol. 1981 Aug;65(8):575-7
van Leeuwen R et al: Risk of bilateral visual impairment in individuals with amblyopia: the Rotterdam study. Br J Ophthalmol 2007; 91: 1450–1
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1084430/umfrage/durchschnittsalter-der-bevoelkerung-in-deutschland/ abgerufen am 20.02.2024
Forschung für das Sehen
Wir brauchen ein Deutsches Zentrum für Gesundheitsforschung für die Augenheilkunde
Die Augenheilkunde ist seit jeher hochtechnisiert: Optische Kohärenztomographie (OCT), Heidelberger Retina-Tomograph (HRT) und viele weitere digitale Untersuchungsmöglichkeiten – die modernen Geräte in den Augenarztpraxen sind für Diagnose und Behandlung entscheidend. Die Forschung zu Augenerkrankungen hat zudem entschieden dazu beigetragen, die Heilungsaussichten und Behandlungsmöglichkeiten vieler Erkrankungen zu verbessern. Als Beispiel seien nur die Makulaerkrankungen bei Diabetes mellitus, Gefäßverschlüssen oder der altersbezogenen feuchten Makuladegeneration genannt. Auch im Bereich von seltenen Erkrankungen der Augen wurden beachtliche Erfolge erzielt. Die Forschung steht aber weiterhin nicht still. Im Gegenteil nimmt sie in den letzten Jahren immer rasantere Fahrt auf. Wie ist der aktuelle Stand ist und welche Bedeutung hat das für die Augenheilkunde?
In der Vergangenheit hat jahrelange, intensive Forschung dazu geführt, dass Therapien und Behandlungsoptionen für Erkrankungen entwickelt werden konnten, die zuvor als nichtheilbar galten. Hier sind wir noch nicht am Ende angekommen: Noch immer gibt es Krankheiten, die aktuell (noch) nicht adäquat therapiert werden können. Die Lösung hier liegt ausschließlich in fortgeführter Forschung, um die Lebensqualität der Betroffenen wieder herzustellen.
Ein von der DOG ins Leben gerufenes Gremium hat jüngst die Aktivitäten auf dem Gebiet der Augenforschung analysiert. Auffallend war das eher niedrige Niveau der in Deutschland dafür zu Verfügung gestellten finanziellen Mittel. Insbesondere im internationalen Vergleich. Angesichts des großen, gesamtgesellschaftlichen Potenzials sollten diese Fördermittel unbedingt erhöht werden.
Zudem hat die Augenheilkunde als hochtechnisiertes Fach eine Art Modellfunktion: Neue Technologie aus Robotik, Nanoforschung und KI könnten hier zielführend eingesetzt werden. Dafür sind Rahmenbedingungen, Einsatzfelder und vor allem eine klare Positionierung erforderlich. Dies beginne mit einem Bekenntnis der verantwortlichen Stellen die Aktivitäten in diesem Bereich aktiv unterstützen zu wollen. Hierfür wäre der erste Schritt, ein „Deutsches Zentrum Gesundheitsforschung für die Augenheilkunde“ zu etablieren und mit entsprechenden Mitteln auszustatten.
Prof. Dr. Claus Cursiefen
DOG-Generalsekretär
Platenstraße 1
80336 München
generalsekretaer@dog.org